Das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes
vom 09.02.2010!
Die
Hartz-IV-Zahlungen
für
6,7
Mio
Menschen
in
der
Grundsicherung
für
Arbeitssuchende
sind
verfassungswidrig
und
müssen
bis
Ende
2010
neu
be-
rechnet
werden!
1. Das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am
Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 (sog. "Hartz IV-Gesetz") führte
mit Wirkung vom 1. Januar 2005 die bisherige Arbeitslosenhilfe und die
bisherige Sozialhilfe im neu geschaffenen Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB
II) in Form einer einheitlichen, bedürftigkeitsabhängigen Grundsicherung für
Erwerbsfähige und die mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen
zusammen. Danach erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige Arbeitslosengeld II
und die mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden, nicht erwerbsfähigen
Angehörigen, insbesondere Kinder vor Vollendung des 15. Lebensjahres,
Sozialgeld. Diese Leistungen setzen sich im Wesentlichen aus der in den §§ 20
und 28 SGB II bestimmten Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts und
Leistungen für Unterkunft und Heizung zusammen. Sie werden nur gewährt, wenn
ausreichende eigene Mittel, insbesondere Einkommen oder Vermögen, nicht
vorhanden sind. Die Regelleistung für Alleinstehende legte das SGB II zum
Zeitpunkt seines Inkrafttretens für die alten Länder einschließlich Berlin
(Ost) auf 345 Euro fest. Die Regelleistung für die übrigen Mitglieder der
Bedarfsgemeinschaft bestimmt es als prozentuale Anteile davon. Danach ergaben
sich zum 1. Januar 2005 für Ehegatten, Lebenspartner und Partner einer
eheähnlichen Gemeinschaft ein Betrag von gerundet 311 Euro (90%), für Kinder
bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres ein Betrag von 207 Euro (60%) und für
Kinder ab Beginn des 15. Lebensjahres ein Betrag von 276 Euro (80%).
Im Vergleich zu den Regelungen nach dem früheren Bundessozialhilfegesetz
(BSHG) wird die Regelleistung nach dem SGB II weitgehend pauschaliert; eine
Erhöhung für den Alltagsbedarf ist ausgeschlossen. Einmalige Beihilfen werden
nur noch in Ausnahmefällen für einen besonderen Bedarf gewährt. Zur Deckung
unregelmäßig wiederkehrenden Bedarfs ist die Regelleistung erhöht worden,
damit Leistungsempfänger entsprechende Mittel ansparen können.
2. a) Bei der Festsetzung der Regelleistung hat sich der
Gesetzgeber an das Sozialhilferecht, das seit dem 1. Januar 2005 im
Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) geregelt wird, angelehnt. Nach dem
SGB XII und der vom zuständigen Bundesministerium erlassenen
Regelsatzverordnung erfolgt die Bemessung der sozialhilferechtlichen
Regelsätze nach einem Statistikmodell, das bereits in ähnlicher Form unter der
Geltung des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) entwickelt worden war. Grundlage
für die Bemessung der Regelsätze ist eine Sonderauswertung der Einkommens- und
Verbrauchsstichprobe, die vom Statistischen Bundesamt alle fünf Jahre erhoben
wird. Für die Bestimmung des Eckregelsatzes, der auch für Alleinstehende gilt,
sind die in den einzelnen Abteilungen der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe
erfassten Ausgaben der untersten 20% der nach ihrem Nettoeinkommen
geschichteten Einpersonenhaushalte (unterstes Quintil) nach Herausnahme der
Empfänger von Sozialhilfe maßgeblich. Diese Ausgaben gehen allerdings nicht
vollständig, sondern als regelsatzrelevanter Verbrauch nur zu bestimmten
Prozentanteilen in die Bemessung des Eckregelsatzes ein.
Die seit dem 1. Januar 2005 geltende Regelsatzverordnung fußt auf der
Einkommens- und Verbrauchsstichprobe aus dem Jahre 1998. Bei der Bestimmung
des regelsatzrelevanten Verbrauchs in § 2 Abs. 2 Regelsatzverordnung wurde die
Abteilung 10 der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (Bildungswesen) nicht
berücksichtigt. Weiterhin erfolgten Abschläge unter anderem in der Abteilung
03 (Bekleidung und Schuhe) zum Beispiel für Pelze und Maßkleidung, in der
Abteilung 04 (Wohnung etc.) bei der Ausgabenposition "Strom", in der Abteilung
07 (Verkehr) wegen der Kosten für Kraftfahrzeuge und in der Abteilung 09
(Freizeit, Unterhaltung und Kultur) zum Beispiel für Segelflugzeuge. Der für
das Jahr 1998 errechnete Betrag wurde nach den Regelungen, die für die
jährliche Anpassung der Regelleistung nach dem SGB II und der Regelsätze nach
dem SGB XII gelten, entsprechend der Entwicklung des aktuellen Rentenwertes in
der gesetzlichen Rentenversicherung (vgl. § 68 SGB VI) auf den 1. Januar 2005
hochgerechnet.
b) Bei der Festsetzung der Regelleistung für Kinder wich der Gesetzgeber von
den Prozentsätzen, die unter dem BSHG galten, ab und bildete nunmehr nur noch
zwei Altersgruppen (0 bis 14 Jahre und 14 bis 18 Jahre). Eine Untersuchung des
Ausgabeverhaltens von Ehepaaren mit einem Kind, wie sie unter dem BSHG erfolgt
war, unterblieb zunächst.
3. Die Sonderauswertung der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe
aus dem Jahre 2003 führte zwar zum 1. Januar 2007 zu Änderungen beim
regelsatzrelevanten Verbrauch gemäß § 2 Abs. 2 Regelsatzverordnung, jedoch
nicht zu einer Erhöhung des Eckregelsatzes und der Regelleistung für
Alleinstehende. Eine erneute Sonderauswertung bezogen auf das Ausgabeverhalten
von Ehepaaren mit einem Kind veranlasste den Gesetzgeber zur Einführung einer
dritten Alterstufe von haushaltsangehörigen Kindern im Alter von 6 Jahren bis
zur Vollendung des 14. Lebensjahres. Diese erhalten ab dem 1. Juli 2009 nach §
74 SGB II 70% der Regelleistung eines Alleinstehenden. Seit dem 1. August 2009
erhalten schulpflichtige Kinder nach Maßgabe von § 24a SGB II zudem
zusätzliche Leistungen für die Schule in Höhe von 100 Euro pro Schuljahr.
4. Über eine Vorlage des Hessischen Landessozialgerichts (1 BvL 1/09) und über
zwei Vorlagen des Bundessozialgerichts (1 BvL 3/09 und 1 BvL 4/09) zu der
Frage, ob die Höhe der Regelleistung zur Sicherung des
Lebensunterhalts für Erwachsene und Kinder bis zur Vollendung des 14.
Lebensjahres im Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis zum 30. Juni 2005 nach § 20
Abs. 1 bis 3 und nach § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Alt. 1 SGB II mit dem
Grundgesetz vereinbar ist, hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts
am 20. Oktober 2009 verhandelt. Die diesen Vorlagen zugrundeliegenden
Ausgangsverfahren sind in der Pressemitteilung zur mündlichen Verhandlung (Nr.
96/2009 vom 19. August 2009) im Einzelnen dargestellt.
Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hat entschieden,
dass die Vorschriften des SGB II, die die Regelleistung für Erwachsene und
Kinder betreffen, nicht den verfassungsrechtlichen Anspruch auf Gewährleistung
eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit
Art. 20 Abs. 1 GG erfüllen. Die Vorschriften bleiben bis zur Neuregelung, die
der Gesetzgeber bis zum 31. Dezember 2010 zu treffen hat, weiter anwendbar.
Der Gesetzgeber hat bei der Neuregelung auch einen Anspruch auf Leistungen zur
Sicherstellung eines unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen,
besonderen Bedarfs für die nach § 7 SGB II Leistungsberechtigten vorzusehen,
der bisher nicht von den Leistungen nach §§ 20 ff. SGB II erfasst wird, zur
Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums jedoch zwingend zu
decken ist. Bis zur Neuregelung durch den Gesetzgeber wird angeordnet, dass
dieser Anspruch nach Maßgabe der Urteilsgründe unmittelbar aus Art. 1 Abs. 1
GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG zu Lasten des Bundes geltend gemacht
werden kann.
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:
1. a) Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen
Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem
Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG sichert jedem Hilfebedürftigen
diejenigen materiellen Voraussetzungen zu, die für seine physische Existenz
und für ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und
politischen Leben unerlässlich sind. Dieses Grundrecht aus Art. 1 Abs. 1 GG
hat als Gewährleistungsrecht in seiner Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG
neben dem absolut wirkenden Anspruch aus Art. 1 Abs. 1 GG auf Achtung der
Würde jedes Einzelnen eigenständige Bedeutung. Es ist dem Grunde nach
unverfügbar und muss eingelöst werden, bedarf aber der Konkretisierung und
stetigen Aktualisierung durch den Gesetzgeber, der die zu erbringenden
Leistungen an dem jeweiligen Entwicklungsstand des Gemeinwesens und den
bestehenden Lebensbedingungen auszurichten hat. Der Umfang des
verfassungsrechtlichen Leistungsanspruchs kann im Hinblick auf die Arten des
Bedarfs und die dafür erforderlichen Mittel nicht unmittelbar aus der
Verfassung abgeleitet werden. Die Konkretisierung obliegt dem Gesetzgeber,
dem hierbei ein Gestaltungsspielraum zukommt.
Zur Konkretisierung des Anspruchs hat der Gesetzgeber alle
existenznotwendigen Aufwendungen folgerichtig in einem transparenten und
sachgerechten Verfahren nach dem tatsächlichen Bedarf, also
realitätsgerecht, zu bemessen.
b) Dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Bemessung des
Existenzminimums entspricht eine zurückhaltende Kontrolle der
einfachgesetzlichen Regelung durch das Bundesverfassungsgericht. Da das
Grundgesetz selbst keine exakte Bezifferung des Anspruchs erlaubt,
beschränkt sich bezogen auf das Ergebnis die materielle Kontrolle darauf, ob
die Leistungen evident unzureichend sind. Innerhalb der materiellen
Bandbreite, welche diese Evidenzkontrolle belässt, kann das Grundrecht auf
Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums keine
quantifizierbaren Vorgaben liefern. Es erfordert aber eine Kontrolle der
Grundlagen und der Methode der Leistungsbemessung daraufhin, ob sie dem Ziel
des Grundrechts gerecht werden. Um eine der Bedeutung des Grundrechts
angemessene Nachvollziehbarkeit des Umfangs der gesetzlichen Hilfeleistungen
sowie deren gerichtliche Kontrolle zu gewährleisten, müssen die
Festsetzungen der Leistungen auf der Grundlage verlässlicher Zahlen und
schlüssiger Berechnungsverfahren tragfähig zu rechtfertigen sein.
Das Bundesverfassungsgericht prüft deshalb, ob der Gesetzgeber das Ziel, ein
menschenwürdiges Dasein zu sichern, in einer Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung
mit Art. 20 Abs. 1 GG gerecht werdenden Weise erfasst und umschrieben hat,
ob er im Rahmen seines Gestaltungsspielraums ein zur Bemessung des
Existenzminimums im Grundsatz taugliches Berechnungsverfahren gewählt hat,
ob er die erforderlichen Tatsachen im Wesentlichen vollständig und
zutreffend ermittelt und schließlich, ob er sich in allen
Berechnungsschritten mit einem nachvollziehbaren Zahlenwerk innerhalb dieses
gewählten Verfahrens und dessen Strukturprinzipien im Rahmen des
Vertretbaren bewegt hat. Zur Ermöglichung dieser verfassungsgerichtlichen
Kontrolle besteht für den Gesetzgeber die Obliegenheit, die zur Bestimmung
des Existenzminimums im Gesetzgebungsverfahren eingesetzten Methoden und
Berechnungsschritte nachvollziehbar offen zu legen. Kommt er ihr nicht
hinreichend nach, steht die Ermittlung des Existenzminimums bereits wegen
dieser Mängel nicht mehr mit Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs.
1 GG in Einklang.
Die Sozialverbände begrüßen das neue Urteil der Karlsruher Richter.
Nun müssen höhere Regelsätze für Kinder beschlossen werden, erklärte der Vorsitzende
der AWO.
www.gegen-hartz.de/
Hartz IV alt:
Errechnung der Hartz-IV-Regelsätze (Stand 2003) | |||
Kategorie | Ausgaben* | Anteil in Prozent, den die Regierung Hartz-IV-Empfängern anerkennt | Hartz-IV-Bezug in Euro |
Nahrungsmittel, Getränke, Tabakwaren | 133 | 96% | 127 |
Bekleidung und Schuhe | 34 | 100% | 34 |
Wohnen einschl. Energie, -instandhaltung | 322 | 8% | 24 |
Einrichtungs-, Haushaltsgegenstände | 27 | 91% | 25 |
Gesundheitspflege | 18 | 71% | 13 |
Verkehr | 59 | 26% | 16 |
Nachrichtenübermittlung | 40 | 75% | 30 |
Freizeit, Unterhaltung, Kultur | 71 | 55% | 39 |
Bildungswesen | 7 | 0% | 0 |
Beherbergungs- /Gaststättendienstleistung | 28 | 29% | 8 |
Andere Waren und Dienstleistungen | 40 | 67% | 27 |
Insgesamt | 779 | ||
Insgesamt ohne Wohnkosten | 483 | 345 | |
*Errechnung des Hartz-IV-Satzes auf Basis der Verbrauchsausgaben der untersten 20 Prozent der nach Nettoeinkommen geschichteten alleinstehenden Haushalte. Empfänger, die überwiegend von Leistungen der Sozialhilfe gelebt haben, sind nicht berücksichtigt. Quelle: EVS 2003 |
Na das kann ja nur besser werden?
Interessant wäre ein Vergleich der Zuwächse bei den Diäten
im Vergleich zu den Hartz IV Regelsätzen!